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    Armin Schreiber

 

 

 

 

 

 

Armin Schreiber,

geboren 1938 in Schönau a.d. Katzbach, Autor ("Kunst:Comics") und Kunstkritiker, lebt in Hamburg.

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Kosmisch

Altmeppen in der Kunsthalle Emden

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Liebhaber norddeutscher Landschaft, die ihren Badeurlaub  ’98 in ostfriesischen oder angrenzenden Gefilden verbringen, sollten in jedem Fall, also auch, wenn es nicht regnet, einen Tag reservieren für den Besuch der Kunsthalle Emden. Eines der Hauptwerke nämlich der diesjährigen Sommerausstellung – sie läuft vom 27.6. bis 18.10. und ist dem Maler Heiner Altmeppen gewidmet – entfaltet ein solches Areal, zeigt sozusagen die „Norddeutsche Landschaft“ schlechthin: extrem hoher Sommerhimmel, locker bestückt mit tiefhängenden Kumuluswolken. Darunter in klarem, nahezu kosmisch wirkenden Nachmittagslicht Felder, Wiesen, Brachland – gelbgrün, flach, kilometerweit. Altmeppen bezeichnet sich als Romantiker. Treffend oder nicht: Vor dieser Landschaft steht man nicht wie weiland C.D. Friedrichs Protagonisten, sondern „fliegt“ auf sie zu und darüber hinweg Richtung Horizont. Der bietet als besonderes Schauspiel einen visionären Blick ins 21. Jahrhundert. Plastisch und in kristalliner Deutlichkeit erscheint die Peripherie einer zukünftigen Megastadt.

Im Jahr 1981 entstanden und kurz darauf mit dem 2. Preis des „ART“-Wettbewerbs „Deutsche Landschaft heute“ ausgezeichnet wurde die Arbeit 1984 von der Kunsthalle Emden angekauft und gehört seitdem zu den Attraktionen des Hauses. Zur Zeit allerdings steht hier die „Deutsche Landschaft“ ( 190 x 320 cm ) im Blickpunkt., ein Bild, das nach der von Achim Sommer ausgerichteten Schau im Bibliothekssaal der Deutschen Bundesstiftung Umwelt in Osnabrück hängen wird.

Ein Wahnsinnsformat und ohne Zweifel nicht nur von den Ausmaßen her ein monumentales Werk! Vier Jahre hat Altmeppen daran gearbeitet, „und es gab“ – so der Künstler – „viele Tage, an denen ich nicht einmal die Fläche einer Streichholzschachtel bedeckt habe“. Minutiös durchgemalt von der Buchenbaumrinde im greifbar nahen Vordergrund und dem gewaltigen Steinbruch dahinter, der die Erde aufreißt bis zu den branstig roten Ablagerungen des Mesozoikums, über die Flur und Waldstücke, über Burgruine, Dorf und Kirche, über Schnellstraßen, Gewerbegebiete, Industrieanlagen und dem bald abgeräumten Bimssteinberg mittendrin, dessen Form an den Brueghelschen „Turmbau zu Babel“ erinnert, bis hin zu den orangefarbenen Wolkenbänken, die eine Autostunde entfernt die Anhöhen tangieren, liefert das Bild die euphorische Topografie einer deutschen Landschaft, ihrer Gegenwart und Geschichte. Es ist eine überwältigend wüste Zivilisationslandschaft, in der die drei, vier Idyllen wie Kindheitserinnerungen wirken. Es ist zugleich aber auch die raumgreifend-phantastische Schilderung einer Landschaftserfahrung: Bildnis – wenn man so will – einer metaphysischen Realität.

Erschienen in der "Kunstzeitung", Nr.23/Juli 1998

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